Update Mai 2013: Alle Interviews, die hier im Blog zu lesen sind, habe ich für das erscheinende Buch in der Caramelized-App (Juni 2013) und im Hädecke Verlag (Herbst 2013) komplett überarbeitet und ergänzt. Hier im Blog sind sie noch in der alten Version zu lesen.
Unterm Weihnachtsbaum lag dieses Jahr das Kochbuch“Anonyme Köche” von Claudio del Principe. Sein Buch war mitunter die Inspirationsquelle zu meinem Diplomthema…
… denn sein Buch entstand aus dem gleichnamigen Blog. Ich bin stolz und freue mich, dass er sich die Zeit für ein Interview nahm!
Ariane: Du bist süchtig nach Kochen, Claudio. Doch wo machst Du die Beschäftigung mit Nahrungsmitteln, dem Zubereiten, Präsentieren und natürlich mit dem Essen und dem darüber Reden selbst fest? Du bist in der Werbung tätig, hast Kinder und eine Familie und kochst regelmäßig für sie. Bei dem Wort Hobby stellen sich bei Dir aber die Haare zu Berge, genauso wie beim überkandidelten Kunstanspruch. Also?
Claudio: Also mache ich es daran fest, dass ich keinen Tag sein kann, ohne zu kochen. Oder darüber zu reden und zu schreiben.
Es gibt jedoch zwei Aspekte: das Zwanghafte und das Ungezwungene. Täglich zu kochen erachte ich als Selbstverständlichkeit. Es ist meistens ungezwungen. Ich will einfach, dass meine Familie und ich etwas Anständiges zu essen bekommen. Das Zwanghafte, süchtig machende kommt erst zum Vorschein, wenn ich mich mitteile, blogge, mich mit anderen austausche oder Position beziehe. Oder zum Essen einlade.
Ariane: „Spontan, einzigartig, authentisch, kompromisslos, radikal, intelligent, unwiderstehlich, verrückt, anders, ehrlich, puristisch, köstlich, komisch, knallhart, absolutistisch, rustikal, besessen, geradlinig, mitreißend, schlicht…“ – all diese Charakterbeschreibungen habe ich gefunden, als ich Claudio del Principe gegoogelt habe. Hat Google Recht? Wie fühlt es sich an, nicht mehr ganz so anonym zu leben?
Claudio: Ob Google recht hat oder nicht, sagt dir gleich das Licht. Quatsch! Medien und Richtigkeit, das schliesst sich doch per se aus, oder nicht? Zur Anonymität: Es geht mir mit “Anonyme Köche” mehr darum, meine Sucht mit anderen, ebenfalls Süchtigen, zu teilen. Ob ich damit unerkannt bleibe oder Bekanntheit erlange ist nicht relevant.
Ariane: Anonyme Köche hast Du 2007 mit Deinen Freunden, Patrick und Comenius, gegründet. Ihr hattet die Idee, euer Umfeld mit den ständigen Diskussionen über das Essen zu verschonen und diese auf den Blog auszulagern. Ist die Rechnung aufgegangen? Als Kochbuchautor rückt das Thema doch bestimmt noch mehr in den Lebensmittelpunkt, oder nicht?
Claudio: Wir haben nichts berechnet, wir haben einfach mal gemacht. Deshalb kann man nicht sagen, ob eine Rechnung aufgegangen ist oder nicht. Tatsache ist, wer es nicht lesen will, muss es nicht lesen. Aber die, die es lesen wollen sind mittlerweile ganz schön viele. Das verwundert manchmal, und das ist eine ganz grosse Freude. Und ja, es ist jetzt noch mehr Lebensmittelpunkt, aber ich rede jetzt nur noch mit denen darüber, die auch von sich aus mit mir darüber reden wollen.
Ariane: Deine Geschichten zu den Rezepten wirken immer sehr spontan und authentisch, sie machen neugierig und wecken meine Kochleidenschaft. Kommt es auch vor, dass Du ein kreatives Tief hast und Dir keine Erzählungen zu den Rezepten einfallen? Wie lässt Du dich inspirieren, wer sind Deine Vorbilder?
Claudio: Ich habe vor einigen Jahren das Schreiben zu meinem Beruf gemacht. Das ist eine schöne Sache. Noch schöner ist allerdings, dass “Anonyme Köche” nichts Berufliches ist. Die absolute Freiheit und Ungebundenheit ist meine Inspiration.
Ariane: Du bist das beste Beispiel dafür, dass Web und Print zusammen funktionieren, und dass das Eine nicht das Andere ausschließen muss. Zwei Jahre nachdem Du „Anonyme Köche ins Leben“ gerufen hast, entstand aus Deinem Foodblog das gleichnamige Kochbuch und wurde im größten deutschen Kochbuchverlag G+U veröffentlicht. Werden Foodblogs von den Printmedien mittlerweile anders wahrgenommen?
Claudio: Man muss sich nichts vormachen. Die meisten Blogs, sind, wie ich vorhin erwähnt habe, etwas Nichtberufliches. Und so werden sie auch von den Medien wahrgenommen. Als etwas Privates. Als ein Phänomen, als Boom bestenfalls. Was dabei leicht übersehen wird: Es gibt viele, die sehr professionell betrieben werden. Und noch wichtiger, mit unglaublicher Leidenschaft. Das ist dann – egal in welchem Metier übrigens – die ideale Kombination: When Passion meets Profession.
Ariane: Das Konzept Deines Buches ist sehr nahe am Stil des Blogs und Deiner Devise „less is more“. Aufmachung und Geschichten Deines Foodblogs wurden fast 1:1 auf das Medium Kochbuch adaptiert. War es schwierig Gräfe und Unzer von Deinem Konzept zu überzeugen, oder haben sie Dir freie Hand gegeben?
Claudio: Ich war ja in der unfassbar traumhaften Situation, dass ich Gräfe und Unzer eben nicht von egal was überzeugen musste. Fast alles was da war, fanden sie gut. Wir mussten nur eine gute Auswahl treffen und sie mit Stories ergänzen. Und möglichst dafür sorgen, dass nichts von der klaren Idee und der schlichten Form verwässert wurde. “Anonyme Köche” hatte schon eine sehr starke Identität.
Ariane: Du bist selbstständiger Werbetexter und kochst zwischen zwei Meetings das Mittagessen für Deine Kinder. In vielen (deutschen) Familien sind gemeinsame Mahlzeiten leider nicht mehr an der Tagesordnung. Wie siehst Du diese Entwicklung? Wo siehst Du den Melting Pot zwischen Deutschland, Italien und der Schweiz?
Claudio: Ich habe erstens grosses Glück und zweitens ein riesengrosses Privileg, dass ich mir mein Leben, sagen wir, familiengerecht einrichten kann. Da mache ich niemandem ein schlechtes Gewissen, der das nicht so super-duper-ideal hinbekommt. Es gibt Realitäten, die man nicht ignorieren kann. Der Melting Pot ist die Mikrowelle. Auch das ist eine Realität. Gerade bei italienischen Familien musste ich meine romantischen Vorstellungen begraben. Auch dort arbeiten beide Elternteile von morgens bis abends. Da bleibt nicht mehr viel Zeit und Lust für Italianità wie es die Werbung gerne inszeniert. Trotzdem gibt es Wege, dem Essen, vor allem dem gemeinsamen, den wichtigen Stellenwert einzuräumen, den es verdient. Den Weg muss jeder für sich selbst finden. Hauptsache man beginnt danach zu suchen!
Ariane: Du warst vier, als Du mit deinen Küchenexperimenten begonnen hast. Welche Gerichte hast Du bei Deiner Mutter abgeschaut und was hast Du dem eigenen Nachwuchs beigebracht? Oder anders gefragt, interessieren sich Deine Kinder denn überhaupt fürs Kochen?
Claudio: Das Entscheidende war, glaube ich, dass meine Mutter mir nicht gesagt hat: Das ist nichts für dich! Oder dafür bist du noch zu klein! Nebst vielen Rezepten habe ich mir das bei ihr abgeschaut: Kochen und Essen zum täglichen Gespräch machen. Es ist die einfachste, grundlegendste und selbstverständlichste Sache im täglichen Leben. So wie wir den Mund aufmachen, um miteinander zu sprechen, so machen wir ihn auf, um miteinander zu essen. Essen ist Dialog, nicht Monolog. Sollte es zumindest sein, nach meiner Auffassung. Meine Kinder interessieren sich manchmal sehr dafür und manchmal weniger. Manchmal hat man Lust über etwas zu reden und manchmal nicht. Genauso verhält es sich mit dem Essen. Sie dürfen alles, aber müssen nichts. Hauptsache man teilt etwas Gemeinsames.
Ariane: Wenn sich heute Abend spontan Robert von Lamiacucina zum Abendessen bei Dir ankündigen würde, was würdest Du ihm auf die Schnelle zaubern? Wie würde der weitere Abend verlaufen? Wäre das zubereitete Essen ein Gesprächsthema für euch?
Claudio: Ich liebe es, “auf die Schnelle” etwas hinzuzaubern. Das sind mir oft die liebsten Einladungen, die spontanen, unverhofften. Selbstgemachtes ist bei mir immer vorrätig und kombiniert mit frischen, marktgerechten Zutaten entstehen so überraschend ungekünstelte Gerichte. Robert ist mir übrigens auf genau so eine spontane Einladung gefolgt, als ich einmal aus seinem Blog erfahren hatte, dass er Strohwitwer war. Und selbstverständlich haben wir Stunden über das Essen geredet, was sonst!?
Ariane: Claudio, lieben Dank für das Interview!
Foto: Hermann Köpf, Sebastian Dickhaut
bin schon gespannt auf das nächste Interw.
Da brauchst Du nicht mehr lange warten!
[…] diesen Blog von Claudio del Principe, Autor mehrer Kochbücher, bin ich kürzlich gestossen und ich fand das Logo toll!:) Entworfen […]
Im Oktober 2013 ist mein Buch »Foodblogs und ihre besten Rezepte« im Hädecke Verlag erschienen.
Gourmand World Cookbook Award Winner 2014 for Germany. Category »Blog«.
48 kulinarische Erzählungen und Rezepte von 12 deutschsprachigen Foodblogger/innen. Nachgekocht, fotografiert und genussvoll verzehrt von Ariane Bille. Konzipiert und kreiert als Buch, App und Blog.
»Das Buch bringt viele Perspektiven zusammen und kommt so der kulinarischen Bewegung im Web erstaunlich nahe – ihren Protagonisten und Motiven, der Kochlust samt Rezepten.« Valentinas-Kochbuch